Geschichte des Infanterie-Regiment 16
Der Polenfeldzug

 
1939
Mitte August 1939

Abtransport in den Raum Sagan-Sorau zur Bereitstellung

Uffz.Korps im Theatergarten in Sorau
Uffz.Korps im Theatergarten in Sorau
I.Btl. Gefechtsstand in Sorau
I.Btl. - Gefechtsstand in Sorau
   
   

12.09.1939

Einflug in den Raum südlich von Lodz

Einflug in den Raum südlich von Lodz
Einflug in den Raum südlich von Lodz
Einflug in den Raum südlich von Lodz
13.09.1939-
22.09.1939

Am 18.8.1939 verließ das Regiment die Garnison und stellte sich, verstärkt durch eine Batterie des zur Division gehörenden Artillerieregiments, eine Kompanie des Pionierbataillons sowie durch Teile der Sanitätskompanie und der Nachschubkompanie der Division, in Schlesien für den bevorstehenden Feldzug gegen Polen bereit.
Der Krieg begann für das Regiment am 12.9.1939. An diesem Tage wurde es, wie schon im Frieden immer wieder geübt, in Transportmaschinen vom Typ Junkers 52 verladen und landete auf dem Flugplatz von Lodz. Die deutschen Erdtruppen hatten die Stadt bereits genommen, so dass es nicht zum Kampf gegen den Feind unmittelbar bei der Landung zu kommen brauchte. Gleichwohl war der Einsatz wegen einer vorübergehend auftretenden Krise dringlich. Am 15.9.1939 ging es im Verbände der bayerischen 10. Division im Sturm über die Bzura ostwärts Sobota, Das Regiment riss die Linien des Feindes auf, der das gegenüberliegende Ufer hartnäckig verteidigte, und erzwang den befohlenen Brückenkopf. Die Bataillonskommandeure mussten energisch einschreiten, um zu verhindern, dass die Soldaten über die vorgegebene Linie hinausstürmten. Anschließend kämpfte das Regiment bis zum 19.9.1939 im Bzura-Weichselbogen und vollendete am nächsten läge im Waldgelände nördlich Budy-Star die Einkreisung beträchtlicher feindlicher Kräfte. Rund 3000 Gefangene und bedeutende Mengen an Kriegsmaterial aller Art fielen in die Hände des Regiments. Damit hatte das Regiment seine Feuertaufe bestanden. Gleichzeitig stand es zum ersten Mal an den Gräbern seiner 7 Gefallenen.

 
Kreuzburg
Westwall / Hauenstein, Pirmasens - Sicherungsaufgaben
Darmstadt
03.11.1939

Am 03.11.1939 verunglückte der Oberschütze Friedrich Meyer beim Waffenreinigen auf dem Schulhof in Auerbach/Bergstr. tödlich.

Aufbahrung auf dem Schulhof in Auerbach und Friedhof Auerbach
Aufbahrung auf dem Schulhof in Auerbach und Friedhof Auerbach
Aufbahrung auf dem Schulhof in Auerbach und Friedhof Auerbach

 

06.11.1939

Winterquartier in Mecklenburg, I. Batl. Wittenburg, Rest bei Hagenow und Ludwigslust. In dieser Zeit fielen mehrere Kameraden einem Unglück beim Übungsschießen mit Grantwerfern zum Opfer.

Hagenow 1939 IR 16

Mit den Kameraden der Luftlandestaffel in Hagenow/Mecklenburg in der Mitte Stabsarzt Dr. Schlesinger unser Reg. Arzt
Mit den Kameraden der Luftlandestaffel in Hagenow/Mecklenburg in der Mitte Stabsarzt Dr. Schlesinger unser Reg. Arzt

Hagenow
Hagenow im Winter 1939/40
Hagenow im Winter 1939/40
Platzkonzert in Hagenow
Platzkonzert in Hagenow
Hauptstr. vor dem Rathaus in Hagenow
Hauptstrasse vor dem Rathaus in Hagenow
Hagenow
Hagenow Vom Ausmarsch zurück...
Vom Ausmarsch zurück...
Oberleutnant Gottbehöde, Leutnant Siebecke u.a. in Hagenow
Oberleutnant Gottbehöde, Leutnant Siebecke u.a. in Hagenow

11./16, III. Zug 9. Gruppe Ludwigslust 1940
11./16, III. Zug 9. Gruppe Ludwigslust 1940

 
 
Berichte über die Kämpfe des IR 16 in Polen

Verfasser unbekannt:

Die Zeit zwischen den Ereignissen in der Tschechoslowakei und dem Angriff auf Polen wurde gut ausgenutzt. Wir bildeten weiter aus und waren bestrebt, die Truppe auf ihrem hohen Stand zu erhalten. Auch die anderen Regimenter und Abteilungen unserer 22. Division wurden luftlandemässig ausgebildet (IR 65 und IR 47). Dass wir unsere Soldaten daneben laufend auf Urlaub schickten, um ihnen Gelegenheit zu geben, sich zu erholen, versteht sich von selbst.
Im August 1939 wurden wir, während die Masse der Division an den Westwall gelegt wurde, wieder in den schlesischen Raum geführt und standen bereit, als die Pression auf Polen begann. Die Aktion gegen das Memelgebiet lag hinter uns, und der Erfolg stimmte uns wohlgemut. Wer kann uns Soldaten verübeln, dass wir das politische Spiel nicht durchschauten, als nunmehr am 1. September 1939 der Krieg ausbrach?

Nun hörten wir an den polnischen Sendern die verzweifelten Gebete und Gottesdienste in den großen Warschauer Kirchen und waren aufs tiefste beeindruckt. In langen politischen Diskussionen verwünschten wir die Staatsmänner, die die Errichtung des polnischen Korridors erzwungen und dadurch Ostpreußen vom Reich getrennt hatten. Wir entsannen uns auch des Ausspruches eines merikanischen Diplomaten, der schon während der Verhandlungen in Versailles in diesem Zusammenhang auf die Unvermeidlichkeit eines Konfliktes hingewiesen hatte.
Die gute, aber nicht ganz modern ausgerüstete polnische Armee wurde zerstampft und schien in wenigen Tagen der Vernichtung entgegenzugehen, als sich die Russen von Osten her in Marsch setzten, um den Resten des polnischen Heeres den Todesstoß zu versetzen. Mit Schrecken vernahmen wir die Gräueltaten der Russen gegen das polnische Offizierkorps.

Der Kriegsablauf schien keine Gelegenheit für einen Luftlandeeinsatz zu bieten, und so glaubte das Regiment schon, an dem polnischen Kriege nicht mehr beteiligt zu werden. Da erhielten wir plötzlich den Befehl, in den Morgenstunden des 12. Septembers abzufliegen. Der Befehl lautete: Versammlung der Transportmaschinen 300 Meter über der Wolkendecke, 3 Kilometer ostwärts vom Flughafen entfernt. Der Start hatte ziemlich lange gedauert, da ich jedes Flugzeug unserer Transportgruppe einzeln persönlich abließ. Nun ging es in Richtung Posen, dann, nach Südosten umwendend, auf Lodz zu. An der Front war eine Krise eingetreten, wir sollten eine entstandene Lücke ausfüllen und ein Vordringen der Polen gegen Lodz und etwaige Unruhen unter der Bevölkerung verhindern.
Für den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd, Generaloberst v. Rundstedt, mit seinem Chef des Generalstabes, Generalleutnant v. Manstein, stellte sich am 12. September in Lodz die Lage wie folgt dar:
Der Oberbefehlshaber der 8. Armeegeneral der Infanterie Blaskowitz, wies in seinem Lagevortrag besonders auf den Mangel an Reserven hin, die zur Abwehr eines drohenden Durchbruchs für dringend erforderlich gehalten wurden.

Der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe ordnete daher umgehend an, ein motorisiertes Schützenregiment der 10. Armee zur Verfügung des Armeeoberkommandos 8 nach Lodz in Marsch zu setzen. Außerdem wurde die Zuführung des als Luftlandetruppe gegliederten Infanterieregiments 16, das zu dieser Zeit der 7. Fliegerdivision unterstellt war, auf dem Luftwege zum Flugplatz Lodz" befohlen.
Im Armeebefehl für den 13. September war die Absicht der Armeeführung wie folgt formuliert:
"8. Armee schließt am 13.09. den Ring um die südl. der Weichsel eingekesselten Feindkräfte. Es kommt darauf an, die erreichten Stellungen gegen die zu erwartenden Durchbruchsversuche zu halten, um den sich anbahnenden Erfolg sicherzustellen."
Die Zugführung des Infanterieregiments 16 und des Kavallerie-Schützenregiments 9 durch die Heeresgruppe Süd zur 8. Armee zeigt die geistige Beweglichkeit der deutschen operativen Führung. Andererseits wird hierdurch aber auch deutlich, dass die Heeresgruppe Süd sich angesichts der kritischen Lage gezwungen gesehen hatte, die letzten beweglichen Reserven schleunigst dem Armeeoberkommando 8 zur Verfügung zu stellen.=
Wir landeten auf einem abgeernteten, schon von deutschen Truppen erkämpften Feld ohne Feindeinwirkung innerhalb unserer eigenen Linien, und nach kurzer Bereitstellung wurden wir zwischen einer bayrischen und einer sächsischen Division eingesetzt, um den Übergang über den kleinen Fluss Bzura zu erzwingen.


Lt. Arnold Schöneboom, Zugführer 12./IR 16 - gefallen in Rotterdam am 17. Mai 1940:

Bzura, die Feuertaufe unseres Heimat-Regiments
4.00 Uhr ... Eine tiefe, dunkelschwarze Nebelwand verhüllt die Bzura. Aus Richtung eines niedergebrannten, noch schwelenden Bauerngehöftes, sich kaum abhebend von einigen geisterhaften Erlen, schleichen leise, scharf horchend und spähend, die Männer heran. Marschrichtung heißt "Bzura", ein Fluss,, dessen Ufer schon im großen Krieg von deutschem Soldatenblut gefärbt wurden. Keiner verzieht eine Miene. Alle sind sich ihrer Sache und ihrer Pflicht bewusst. Alle wissen: Jeder geringe Lärm kann Verrat und Verderben bringen über viele, viele Kameraden. Jenseits des Flusses lauert der Pole, bereit, jedes Überschreiten der Bzura, seiner natürlichen, ungeheuer wichtigen Widerstandslinie, bis auf das Messer zu verteidigen. Noch ist alles dunkel, noch hat der Gegner nichts erkannt. Noch einige Minuten, und wir liegen in der befohlenen Ausgangsstellung.
Langsam kommt das Morgenlicht, schon kann man seinen Nebenmann sehen. Wie sie alle erwartungsvoll daliegen! Mancher ist ungeduldig. Diese verfluchte Ruhe vor dem Sturm! Jeder will vorwärts, will mit heißem Herzen ran an den Feind, will kämpfen, will stürmen. Man sieht es an den Mienen.
5.45 Uhr ... Deutlich erkennt man am jenseitigen Bzuraufer Bewegungen. Ab und zu schwankt eine Baumkrone. Beobachter oder Baumschütze? Ich sehe nach meiner Uhr. Ja, wir dürfen schießen, die Zeit ist da. Eine kurze Zielansprache. Noch nie wurde sie so schnell aufgenommen, noch nie wurde so scharf beobachtet, noch nie so kurz, aber genau gerichtet. Und jetzt ist .der Augenblick da. Wütend speien unsere Maschinengewehre hinüber in die verdächtige Baumgruppe. Wie sie ruhig, aber haarscharf richten, die Richtschützen! Meldung von rechts: Ziele niedergekämpft.
In diesem Augenblick faucht es verdächtig in der Luft. Gerade noch kann ich Deckung befehlen. Eine Detonation vor uns. Wie sie alle daliegen. ... das Gesicht im Grase vergraben! Gewehrkugeln pfeifen über unsere Helme hinweg. Ob der Pole uns doch erkannt hat? Neben mir lugt Jan, ein baumlanger Ostfriese, über die Deckung. Ganz seelenruhig entfahren ihm die Worte: "Du, Fritz, dor kann man doch sehn, de Düwels hebben gien Doornkaat, anners sulln se woll bäter scheeten!" "Ne", ruft Fritz ihm zu, "de sind besapen, de hebben to völ Wotka drunken, kiek mal, se scheeten nu up de lütje Boomen dor!"
In der Tat, die Einschläge der fünfzehn-Zentimeter-polnischen-Artillerie liegen um eine kleine Erlengruppe herum, aus der Ferne anzusehen wie ein Menschenschwarm.
Und nun scheint es, als ob der Pole uns doch erkannt hat. Gut hundert Meter vor uns spritzt wieder die Erde hoch. Noch immer tastet der Pole mit seiner 15-Zentimeter-Arti1lerie das Gelände ab. Aber nun, etwa siebzig Meter vor uns mehrere Einschläge! Was ist das für ein Stöhnen vor uns? Da springen auch schon Kameraden vor zu dem Verwundeten. Es ist ein Melder. Auf seinem Meldewege hat es ihn überrascht. Ein Granatsplitter ist ihm in den Kopf gedrungen. Im Nu ist er in den rettenden Händen unserer Sanitäter, und bald liegt er sicher im Krankenwagen.
In dem Augenblick ein gewaltiges Donnern hinter uns, ein Fauchen und Heulen über unseren Köpfen. Wie gerufen eröffnet unsere Artillerie aus allen Rohren einen gigantischen Feuerzauber. Ein erlösendes Gefühl für uns! Drüben bildet sich eine Wand von Rauch und aufspritzenden Erdmassen. Urzecze, ein Dorf etwa 300 Meter jenseits der Bzura, brennt lichterloh. Es ist der Augenblick, auf den unsere Pioniere gewartet haben. Unter Schutz der Artillerie und der schweren Infanterie-Waffen beginnen sie mit ihren Schlauchbooten überzusetzen. Meldung vom rechten Gewehrführer: "Von rechts vorspringende feindliche Schützen." Der Entfernungsmesser ruft: "850"! Schon hämmern unsere MG. Drüben suchen sie Deckung, soweit sie noch können.
5.30 Uhr ... Der Übergang ist in vollem Gange. Auch wir folgen unseren Kompanien. Wunderbar klappt das Übersetzen. Soeben haben wir das brennende Dorf hinter uns, im Laufschritt einen Weg durch die Flammen gefunden. Noch sind Waffen und Munitionskästen warm von der Feuerglut. Etwa 150 Meter links vorn steht ein Birkenwald. Gewehrfeuer von vorne waren wir schon gewohnt. Plötzlich sausen aber von diesem Birkengehege Gewehrkugeln an uns vorüber, schlagen teils klatschend neben mir in die Erde, teils fegen sie vorüber. Allgemeines Rätselraten. ... Ruckartig habe ich mein Fernglas vor den Augen, da feuert hinter mir auch schon ein MG. Wie ich mich umdrehe, sehe ich, dass einer meiner Gewehrführer das MG dem Richtschützen entrissen hat, vorgesprungen ist, und nun eine Garbe in die Baumkronen des Birkengeheges hinauf sendet. Und doch fordert dieser Überfall wiederum ein Opfer.
Nun feuert der Pole mit allen zur Verfügung stehenden Waffen auf unser angreifendes Regiment. Er schießt mit seinen Panzerabwehrkanonen, er schießt direkt mit Infanteriegeschützen.
Der Angriff ist in vollem Fluss: Es gibt kein Halten mehr
für die Polen. Fast ohne Gegenwehr fällt auch das Dorf Begurja-Dolna in unsere Hände. Kurz davor schlängelt sich der polnische Schützengraben. Dort liegen die besten Kämpfer unter den Polen, die meisten mit Kopfschüssen. Unser Angriffsziel ist erreicht.
Bei uns steht ein gefangener Pole, der fließend deutsch spricht. Er scheint überaus glücklich, er weiß gar nicht, wie er uns am schnellsten beibringen soll, dass er nur mit Gewalt polnischer Soldat geworden ist. Gewiss, Feuerbefehle hätte er genug bekommen, aber er hätte bewusst in die Luft geschossen, als wir stürmten. Nun wird es uns auch klar, weswegen der polnische Soldat noch so hartnäckig kämpft, obgleich er äußerst bedrohlich von uns eingeschlossen ist. Hohe polnische Offiziere hätten ihnen erklärt, dass die polnische Armee nur zurückweiche, um die Deutschen, die hart von Engländern und Franzosen verfolgt würden, an der Weichsel in eine Falle zu locken.
Wir aber haben den schlecht geführten polnischen Soldaten gerade in diesem Augenblick tief bedauert, der nun trotz ungeheurer Strapazen und bewunderungswürdigem Kampfesmut die Waffen strecken musste und noch dazu die niederschmetternde Nachricht verabreicht bekam, dass die ganze polnische Armee umzingelt, verloren ist, dass trotz des gewaltigen Vordringens der deutschen Armeen
in Polen die Wacht am Westwall steht.

Oldenburger Infanterie am Feind
Ernst Grave, Oblt. u. Btl.-Adjutant, III./IR 16
am 10. Mai 1940 in Rotterdam schwer verwundet und am 8. Juni 1940 in Bochum verstorben:

Unser erstes Quartier in Polen war einmal eine schlossartige Villa, in dem sich ein polnisches AOK sehr wohl gefühlt hatte, bis deutsche Stukas es entdeckt und mit 250-kg-Bomben zerschlagen hatten. Diese Bombentrichter und die im Park stehenden, zerfetzten und ausgebrannten Automobile gaben uns den ersten Eindruck vom Kriege.
Drei Tage später standen wir nach anstrengenden Märschen ohne Rast und Ruh' in vorderster Linie vor der Bzura, um beim Zusammenschnüren der im Weichsel bogen eingeschlossenen polnischen Armee durch Angriff über den von den Polen verteidigten Fluss mitzuwirken.
In der Nacht hatten wir uns unbemerkt bis dicht an den Fluss heran geschoben und dort eingegraben, um das mit Tagesanbruch einsetzende Feuer unserer Artillerie abzuwarten. Als das Artilleriefeuer auf das jenseitige Flussufer vorverlegt ist, geht es im Marsch-Marsch vorwärts an die Übersetzstelle, wo die Pioniere schon die Floßsäcke ins Wasser lassen und der erste Spähtrupp übersetzt. Ehe der Pole sich von der Überraschung erholt hat, haben die Angriffsspitzen ihn in das in Brand geschossene Dorf am jenseitigen Flussufer zurückgeworfen. In schneller Folge setzt jetzt Gruppe auf Gruppe über, verschwindet in Nebel und Rauch und stößt durch das brennende Dorf hindurch. Nach drei Stunden ist der befohlene Brückenkopf gebildet, von der stürmenden Oldenburger Infanterie das letzte, starke, natürliche Hindernis überwunden, das vor der endgültigen Vernichtung der polnischen Armee im Weichselbogen lag.
In Eilmärschen verfolgen wir den nun nicht mehr energisch kämpfenden Feind. Auf dem Rückzug von den Polen gesprengte Brücken wurden schnell auf Behelfsbrücken umgangen. Immer sichtbarer werden die Anzeichen dafür, dass die polnische Armee nunmehr völlig geschlagen ist. Der Weg führt uns vorbei an unermesslichem Kriegsmaterial, das auf und neben der Rückzugsstraße von den Polen liegen gelassen wurde. Die Zeichen der Vernichtung mehren sich von Kilometer zu Kilometer: zerschossene Kolonnen, vernichtete Panzer und Kanonen. (Fotos siehe Heft 34, Seite 41). Polnische Zivilbevölkerung wird zur Bestattung der Toten eingesetzt. Und bald stoßen wir auf die ersten Gefangenen, die zu Tausenden ohne Waffen in langen Kolonnen aus den Wäldern heraustreten und sofort zu den rückwärtigen Sammellagern weitergeleitet werden.
Noch einmal sollen wir zum Kampf kommen. Nach kaum drei Stunden Schlaf im Zelt geht es erneut in der Nacht vorwärts in die äußerste Ecke des Winkels zwischen Weichsel und Bzura, wo die letzten Reste einiger polnischer Divisionen sich verzweifelt schlagen. Es gilt ein großes Waldgelände zu säubern, in dem noch viele Polen stecken sollen. Im Morgengrauen stoßen wir in den Wald hinein, in dem jeder Weg mit zerschossenen Batterien und Kolonnen angefüllt ist. Doch die Polen lassen es nicht mehr auf einen Bajonettkampf ankommen. Nach wenigen Schüssen strecken sie die Waffen. Etwa 3.000 Gefangene mit ihren Offizieren kann hier eins unserer Bataillone machen.
Die Schlacht ist beendet. Ein neuer Befehl ruft uns zurück. Am nächsten Morgen geht es auf einer anderen Straße der Vernichtung 52 Kilometer nach Süden in eine zerschossene Stadt, in der wir zwei Tage Ruhe haben sollen. Die Freude über das Geleistete, aber auch die Anstrengungen der letzten Tage sieht man auf allen Gesichtern.

Major Engelke, Stab IR16
"Infanterie-Regiment 16 erzwingt den Bzura-Übergang am 16. September ostwärts Sobota":

................... Flüchtlinge zu Fuß und auf Wagen bevölkern die große Straße von Lowicz nach Lodz. In der Angst um den gefährdeten Besitz oder in der Sorge, in Kampfereignisse hineingezogen zu werden, haben sie kaum Augen für die Soldaten, die ihre Waffen und Geräte reinigen, waschen, essen, schlafen oder der im Ort befindlichen Feldpost zueilen, um ihrer Lieben in der Heimat mit vielleicht letzten Grüßen zu gedenken.
Kurz nach 12.00 Uhr trifft der Befehl ein: "Verst. IR16, der 10. Division unterstellt, erreicht über Wola Zbrozkowa-Wladislawow den Raum um Chruslin und Traby und erzwingt nördlich davon den Übergang über die Bzura. Regimentskommandeur zum Divisionsgefechtsstand voraus!
Nicht lange und der graue Heerwurm des Regiments wälzt sich mit seinen Karren, Infanteriegeschützen nach Norden zu, um die jungen Soldaten der Feuertaufe, der ersten Stunde der Bewährung entgegenzuführen. Drückende Schwüle macht den Marsch bei den grundlosen Wegen besonders mühselig. Aber der näher kommende Gefechtslärm, die Himmelanstrebenden Rauchfahnen brennender Dörfer am Horizont, die die nahe Front erkennen lassen, beleben den Marschtritt. Mit einbrechender Dämmerung erreichen die Anfänge der Bataillone Chruslin und Traby. Der vorausgeeilte Rgts.-Kdr., Oberst Kreysing, steht bereits auf dem Regimentsgefechtsstand des Nachbarregiments. Von den Strohdiemen am Nordrand des Dorfes gleitet der Blick nach Norden über das Angriffsgelände des morgigen Tages. In weiterer Entfernung nach Osten hin sieht man über Lowicz gewaltige Rauchwolken aufsteigen.
6.30 Uhr! Planmäßig wird die Bzura überschritten und schneller als gedacht stehen wir an der Kirche von do Chruslina. Die ersten Verwundeten und Gefangenen kommen zurück. Pioniere rollen durch den moorigen Wiesengrund nach vorn, um schnell die Brücke wiederherzustellen, damit unsere Infanteriegeschütze möglichst schnell den Schützen folgen können. Unsere Pioniere schaffen es, trotz feindlichen Feuers. Nicht lange, und die schweren Waffen können Uferwechsel machen.
Der Regimentskommandeur, den es zu keiner Stunde auf dem Gefechtsstand hielt, kommt zurück. Gute Nachrichten, das Angriffsziel muss in Bälde erreicht sein. Der Brückenkopf ist da! Schon schiebt sich auch das III. Btl. über die Bzura, um im Schutz unserer Front Sobota und seine Brücke von der Flanke her anzugreifen. Um die prächtigen Jahrhunderte alten Linden, die die schlichte und stilvolle Barockkirche beschatten, gruppiert sich ein bewegtes Bild. Fernsprecher und Funker, Melder, Sanitätssoldaten und Gefangene, die von unseren Dolmetschern verhört werden. Die Sanitätskraftwagen fahren schon bis zur Brücke. Teile der Sanitätskompanie werden zur Suche auf dem Nordufer eingesetzt und kommen, gottlob, mit Tragen zurück, auf denen nur polnische Verwundete liegen."
Ein Mann des Regiments-Spähtrupps, der den Auftrag hatte, über die eigene Linie hinweg die Straße Kutno-Lowicz zu erreichen, kommt zurück. "Versuch durchzukommen gescheitert. Uffz. Böls und ein Mann verwundet. Der Pole liegt noch in breiter Front gegenüber. Keine Deckung gegen Sicht." Wenig später sind auch schon die Verwundeten da und werden schnellstens ärztlich versorgt. Da kommen zu unerwartet früher Stunde die Meldungen vordere Linie: "Das Angriffsziel ist erreicht. Fühlung zwischen II. und III. Btl. bei Kirche Bogurja-Bolny hergestellt. Im weiteren Vorgehen gegen Barkow-Bolny".
Stolz darf der Regimentskommandeur dem Divisionskommandeur, dessen Regimentern das IR16 den Übergang über die Bzura geöffnet hat, melden: "Angriffsziel ist erreicht! Feind vor dem Regiment ausgewichen!"
Zwei Stunden früher als erwartet .... Divisionsbefehl: "Regiment hält in erreichter Linie. I......wird gegen 17.00 Uhr über I./16 gegen die Straße Lowicz-Kutno vorgehen. Schon vorher war der Befehl ergangen, die Gefallenen des Regiments zu bergen, um ihnen mit dem Blick auf das Angriffsgelände, in dem das IR16 verstärkt durch Artilleristen und Pioniere sich in der Feuertaufe bewährt hatte, eine würdige Ruhestätte zu bereiten.
Die Nacht bricht herein. Die Bataillone biwakieren in und um die brennenden Dörfer auf dem Gefechtsfeld. In der Kirche, in deren Kerzenschimmer der Regimentsgefechtsstand arbeitet, tragen liebevolle Kameradenhände die teuren Toten des Regiments zur Sakristei und bahren sie dort und vor dem Hochaltar auf.
Wir konnten sie nicht selbst begraben. Um 5.00 Uhr hieß es "Antreten". Unsere braven Landwehrleute aus der engeren Heimat, aus der Nachschubkompanie, die den Weltkrieg erlebt haben, werden unsere Toten betten und ihnen die letzten soldatischen Ehren erweisen. Wir wissen sie bei ihnen, den Vätern der Söhne, die den Angriff getragen haben, in bester Hut.
Die sieben Gefallenen des IR16 vom 16. Sept. 1939 wurden am 17. Sept. bei do Chruslina beigesetzt. Die Grabrede hielt Oberlt. Bergstrand , Offizier einer Divisionstruppe , der ein Kriegsfreiwilliger 1914 und im Weltkrieg selbst schwer verwundet gewesen ist. - Aus der Grabrede entnehmen wir folgende Sätze:
Kameraden! Das Regiment hat uns die Aufgabe übertragen, die jungen Kameraden, die gestern beim Angriff gefallen sind, zu bestatten. Es ist Soldatenschicksal, dass die, die mit ihnen in Reih1 und Glied standen, ihnen diesen Dienst nicht erweisen können. Sie müssen vorwärts. Es darf sie mit stolzer Freude erfüllen, dass sie bei ihrem ersten Einsatz nicht nur das befohlene Ziel erreicht haben, sondern weit darüber hinaus vorgestoßen sind. Aber sie werden auch voll Demut derer gedenken, die eine tödliche Kugel von ihrer Seite gerissen hat, und durch ihre Seele wird das Lied vom Guten Kameraden erklingen, das sie nun aus eigenem Erleben erst ganz verstehen. Weil die Pflicht, die den Kämpfer ruft, unerbittlich ist, haben wir alten Soldaten den schweren Auftrag doch gern übernommen, den Gefallenen ein soldatisch würdiges Begräbnis zu bereiten. Auch wir hätten keinen besseren Platz für ihre Gräber aussuchen können al s diese Ste1le an der Straße nach Lowicz-Warschau. Von hier aus sind sie zum Angriff vorgegangen über die vor uns liegende Niederung und die durch die Wiesen sich schlängelnde Bzura. Von hier aus kann man das Kampffeld, auf dem sie gefallen sind, übersehen.
An manchen Soldatengräbern sind wir vorübergegangen in den letzten Tagen, aber diese Gräber gehen uns doch besonders nahe. Denn es sind unsere Toten, die ersten Gefallenen des Regiments, zu dem auch wir gehören. Wir kennen ihre Namen nicht, wir wissen noch nicht, wie sie heißen. Wir dürfen aber annehmen, dass es Landsleute von uns sind. War es uns bei dem einen oder anderen nicht, als hätten wir ihn schon einmal gesehen? Und wenn wir ihre Namen erfahren, werden sich vielleicht Fäden hinüberspinnen zu diesem oder jenem oder zu ihren Familien, die durch den Tod in Trauer versetzt werden- Wir alten Soldaten, die wir so oft dem Tod ins Auge geschaut haben wissen, dass der Tod vor dem Feind nicht das schwerste ist, sondern dass viel schwerer die Angehörigen zu tragen haben, denen die Todesnachricht ins Haus gebracht wird. ... Gott dem Herrn befehlen wir die gefallenen Kameraden und ihre Angehörigen. Er segne unser Volk und Vaterland.

 

 
 
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